Crange war früher Treff der Gaukler und Moritatensänger „Um 1900 erstes Kettenkarussell mit Dampfantrieb“

Alfred Kallinowski berichtet:

Wanner Bildgeschichten von gestern: Crange war früher Treff der Gaukler und Moritatensänger „Um 1900 erstes Kettenkarussell mit Dampfantrieb“

Wo heute die bunten Glühbirnen von Looping und Riesenrad glitzern, da trafen sich vor 115 Jahren die Gaukler und Moritatensänger. Seit jeher strömten die Menschen zum Laurentiusmarkt nach Crange, dem bekanntesten Stadtteil des Ruhrgebietes, wenn es etwas zu sehen und zu erleben gab. Und das war traditionsgemäß immer der Fall.

Um 1900 schlängelte sich noch die Emscher durch das Dorf, bis der Fluss wegen des geplanten Rhein-Herne-Kanals an den Ortsrand nach Herten verlegt wurde. Bevor im Mai 1901 die erste Straßenbahn von Wanne nach Recklinghausen an der alten Cranger Schule über die Deigel-Brücke rollte, war Crange bereits dem Amt Wanne zugeordnet worden. Somit war fortan auch der Wanner Verwaltungschef, Amtmann Friedrich Winter, für den Kirmesrummel verantwortlich.

Wenn man der Chronik glaubt, war 1904 das erste Bierzelt aufgebaut, wo der halbe Humpen HÜLSMANN-PILS lediglich zwei Groschen kostete. Die Freudenstimmung entfaltete sich unter Gas- und Karbidfunzeln – das elektrische Licht wurde in Crange erst 1909 offiziell eingeführt.

Neueste Errungenschaft damals: „Ein Kettenkarussell mit Dampfantrieb“ (siehe Foto). Das einzige Kinderkarussell wurde von Pferden in Gang gehalten – für eine Fahrt auf dem hölzernen Schwan zahlten die Kids lediglich fünf Pfennige. Muskelbepackte Männer bestiegen die Schiffsschaukel, die schnell luftige Höhen, jedoch nicht über sieben Meter erreichte, wie es die Sicherheitsverordnung vorschrieb.

Vor 100 Jahren das erste Kettenkarussell mit Dampfantrieb.

Auch die Eisverkäufer machten ein gutes Geschäft. Zweirädrige Handwagen rollten mobil über den Kirmesplatz (siehe Foto unten). Mit Stangeneis-Kühlung – eingepackt im Jutesack – blieb das Sortiment auf Vanille oder Schokolade beschränkt. Der enorme Eisverzehr von 1911 hatte allerdings auch negative Folgen. Es gab etliche Fälle von Typhus, wobei die Erkrankten auf der Isolierstation im Wanner St. Anna-Hospital landeten. Die Ursache für den Krankheitserreger fand man dann schließlich im Leitungswasser, das aus der Ruhr kam. Drei Tote kostete „das süße Vergnügen“.

Mit dem Eiswagen unterwegs in Crange anno 1911. Vanille oder Schokolade: Jedes mit der Holzkelle prallgefüllte Hörnchen kostete fünf Pfennige.

Ebenfalls ein schweres Geschäft hatten seiner Zeit die Schausteller. Raupenschlepper und Motorwagen gab es nicht – die Kirmeskarawane zog mit Pferdewagen nach Crange (siehe Foto unten). Doch auch diese Romantik ist längst dahin und ein bisschen Wehmut mischt sich drein: Was ist schon ein duftender Pferdeappel gegen die stinkenden Auspuffgase der schweren Benzinkutschen, die heute den Kirmesrummel begleiten.

Auf Pferdewagen zogen die Schausteller das Schwanenkarussell zur Cranger Kanalschleuse.