Wanne-Eickeler Kumpel wollen Schießpulver und Grubenlampe nicht mehr aus der Lohntüte bezahlen

Alfred Kallinowski berichtet:

Bergarbeitergewerkschaft: Wanne-Eickeler Kumpel wollen Schießpulver und Grubenlampe nicht mehr aus der Lohntüte bezahlen

Ein großangelegter Streik der Bergleute im Sommer 1889 war der zündende Funke zur Gründung der Bergarbeitergewerkschaft, die nunmehr auf ihr 125 jähriges Bestehen zurückblicken kann. 200 Delegierte von 66 Ruhrgebietszechen und 44 Knappenvereinen, darunter drei Vertreter aus Bickern hoben am 18. August 1889 unter dem Namen „Verband zur Wahrung und Förderung bergmännischer Interessen“ die erste geschlossene Berufsorganisation aus der Taufe. Bei der Gründung hatten sich spontan 15.000 Bergleute der neuen Gewerkschaft angeschlossen, ein Jahr später waren es schon 58.000. Die Aufnahmegebühr betrug fünf Groschen, der Monatsbeitrag kostete die Hälfte.

Bereits Ende April 1889 spitzte sich die Lage zu: Auf der Röhlinghauser Zeche Königsgrube verweigerten Kohlenschlepper und Pferdejungen die Arbeit. Bergmann Fährlotter von der Zeche „Unser Fritz“ organisiert in Crange eine Protestversammlung, die Konsequenzen haben sollte. Am 8. Mai meldet die Bergbehörde: „Auf vier Zechen in Wanne und Eickel sind 4.900 Beschäftigte im Ausstand und lassen die Kohlenförderung zusammenbrechen – wir bitten um Polizeiverstärkung.“

Als dieser Hilferuf sogar die Staatsregierung in Berlin erreichte, entsendet Kaiser Wilhelm II. gleich vier Kompanien Militär in unsere örtliche Umgebung, davon allein die Hälfte zu den Zechen Pluto und Königsgrube. An der Wanner Bahnhofstraße (heute Hauptstraße) kam es wiederholt zu Schießereien, wobei auch zwei Frauen durch Gewehrsalven verletzt wurden.

Die Bergleute versuchten zunächst vergeblich, die Einführung der „Fünfzig-Stunden-Woche“ zu forcieren. Auch für die tägliche Schichtlohnerhöhung von durchschnittlich 2,80 auf 3,50 Mark zeigte die Grubenleitung kaum Entgegenkommen. Ebenso wetterten die Kumpel über die schlechte Behandlung seitens der Steiger. Sie weigerten sich, Pannschüppe, Grubenlampe und sogar das Schießpulver aus der schmalen Lohntüte zu bezahlen.

Ähnliche Missstände gab es bei der Knappschaft, wo man für verordnete Arzneimittel den halben Preis zulegen musste. Wer unfallbedingt nicht mehr berufstätig war, bekam von der Bergbau- Berufsgenossenschaft eine durchschnittliche Monatsrente von 20 Mark.

 

Pferdetreiber im Untertagebetrieb forderten damals die Erhöhung des täglichen Schichtlohns von 2,80 auf 3,50 Mark

Friedrich Bunter

Friedrich Bunter wurde 1889 zum Vorsitzenden der Bergarbeitergewerkschaft gewählt.

Die Zechenarbeiter standen im Existenzkampf, natürlich ohne Zuschuss von Streikgeld. Wer ganz arm war, erhielt gelegentlich eine Mark aus der Unterstützungskasse des örtlichen Knappenvereins.

Erst nach monatelangen Querelen sahen sich die Kumpel am Ziel ihrer Wünsche. Wenn auch auf wackeligen Füßen – die eingeforderte Berufsorganisation war geboren. Friedrich Bunte wurde 1889 zum 1. Vorsitzenden gewählt, Vorstand und Verwaltung nahmen ihren Sitz in der Nachbarstadt Bochum. Zur Mitgliederbetreuung etablierten sich in Wanne-Eickel sogenannte Zahlstellen, die man heute Ortsgruppen nennt. Und genau hier, meist in angestammten Kneipen, sind Tradition und Fortschritt festgeschrieben. Allerdings hat sich der ursprüngliche Gewerkschaftskreis geändert und die Bergleute sitzen nicht mehr in eigener Runde. Man hat fusioniert zur Industriegewerkschaft Bergbau-Chemie-Energie, die unter dem Kürzel IG BCE einhergeht.